KOMMENTAR

 

Auch Frankreich hat nun ein „Designer-Kind“

Wer von Befürwortern einer begrenzten Zulassung der PID im Bundestag oder im Ethikrat in den vergangenen Monaten höflich, aber bestimmt wissen wollte, woher diese eigentlich ihre stramme Zuversicht nähmen, dass sich PID in Deutschland begrenzen lasse, wo doch die USA, Großbritannien, Spanien und Belgien längst das Gegenteil bewiesen hätten, dem wurde meist ärgerlich ein „Frankreich“ entgegengeschleudert. Frankreich zeige, dass in Deutschland keiner Angst vor so genannten „Designer-Babys“ und „Rettungskindern“ haben müsse. Laut Gesetz ist dort die PID nach künstlicher Befruchtung nur erlaubt, um zu verhindern, dass Kinder eine schwere Krankheit der Eltern erben. Und auch nur dann, wenn mindestens ein Elternteil die entsprechende genetische Disposition tatsächlich besitzt, das Paar mindestens zwei Jahre zusammenlebt und ein entsprechender Antrag von einer Ethikkommission genehmigt wurde.

Nun haben jedoch weder das Gesetz noch eine Ethikkommission verhindert, dass Reproduktionsmediziner in Frankreich wie zuvor in den USA, Großbritannien und Spanien ein „Designer-Kind“ mittels PID aus einer Vielzahl von im Labor erzeugten Geschwistern auswählten. Damit nicht genug, haben die türkischen Eltern dem Jungen, von dessen Nabelschnurblut-Stammzellen sie sich nun die Heilung seines an der genetisch bedingten Blutkrankheit (Beta-Thalassämie) leidenden Bruders erhoffen, den Grund für seine Auswahl auch gleich tief eingeprägt. „Umut-Talha“, wie die Eltern den Junge nannten, bedeutet „Hoffnung“.

So leicht es ist, Verständnis für die Verzweiflung der Eltern aufzubringen, die ihr von einer tödlichen Krankheit bedrohtes Kind durch die Geburt eines passenden Zellspenders retten wollen, so unmöglich ist es, akzeptieren zu sollen, dass für die Geburt dieser „Hoffnung“ mehrere Geschwister erzeugt werden mussten, die nie das Licht der Welt erblicken werden. Wie viele Embryonen letztlich erzeugt wurden, um „Umut-Talha“ in die Gebärmutter seiner Mutter einbringen zu können, darüber schweigen sich die französischen Reproduktionsmediziner aus. Was sie freilich nicht daran hinderte, die Nachricht von dem bereits im Januar geborenen Jungen just zu dem Zeitpunkt bekannt zu geben, da die Nationalversammlung über eine Novelle der Bioethikgesetzgebung debattiert.

Andere Fälle sind da schon transparenter. Das weltweit erste Designer-Kind, das am 29. August 2000 in Minneapolis geboren wurde, hört auf den Namen Adam Nash. Auch hier ist der Name Programm: Adam (hebr.: Mensch) wurde geboren, um das Leben seiner sechs Jahre älteren Schwester Molly zu retten. 14 weitere Geschwister, die wie Adam alle im gleichen Labor erzeugt worden waren, mussten damals sterben, weil sie sich anders als Adam nicht als Zellspender eigneten. Müssen wir uns auch in Deutschland so den neuen, von Reproduktionsmedizinern erschaffenen Menschen vorstellen?

Vielleicht nicht. Vielleicht dürfen Gegner der PID mit dem Schicksal des kleinen Umut-Talha, der schon mehr Hoffnungen tragen muss, als einem Menschen zugemutet werden darf, die Zuversicht verbinden, dass sich im Bundestag am Ende eine Mehrheit für ein Verbot der PID finden wird. Zumindest aber werden die „Frankreich“-Rufe nun erst einmal verstummen.

 

IM PORTRAIT

Stefan Rehder

Stefan Rehder, geboren 1967 in Düsseldorf, ist Journalist und Sachbuchautor (2010: „Grauzone Hirntod – Organspende verantworten“) mit den Schwerpunkten Lebensrecht, Bioethik und Biomedizin. 2007 erschien sein Buch „Gott spielen – Im Supermarkt der Gentechnik“, in dem er sich auch mit der künstlichen Befruchtung, der PID und dem Fetozid auseinandersetzt.