BERICHT

PID-Expertenanhörung: Unversöhnliche Standpunkte
Befürworter und Gegner einer Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID) haben sich bei der Öffentlichen Anhörung vor dem Gesundheitsausschuss des Bundestags am Mittwoch in Berlin vorgeworfen, eine mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbarende Regelung herbeiführen zu wollen. So erklärte der Bonner Staatsrechtler Matthias Herdegen, der als Sachverständiger von den Initiatoren des Gesetzentwurfes für eine kaum begrenzte Zulassung der PID (Bundestagsdrucksache 17/5451) benannt worden war, sowohl ein gesetzliches Verbot als auch eine weitreichende Beschränkung der PID griffen in die Grundrechte potentieller Eltern ein.
Jedes Paar sei „aus verfassungsrechtlicher Sicht im Hinblick auf die Verwirklichung eines Kindeswunsches und im Hinblick auf die Bedingungen einer Schwangerschaft grundrechtlich frei.“ Dazu gehöre auch „diese Entscheidung als eine zu wissende zu treffen.“ Der mit einem gesetzlichen Verbot der Durchführung einer PID verbundene „Zwang zum Nichtwissen im Hinblick auf genetische Dispositionen vor der Implantation“ tangiere sowohl das „Elternrecht“, als auch das „Selbstbestimmungsrecht der Frau“ sowie das „allgemeine Persönlichkeitsrecht von Mann und Frau“. Eine Einschränkung dieser Grundrechte lasse sich weder mit der „Achtung der Menschenwürde“ noch mit dem „Diskriminierungsverbot zugunsten behinderter Menschen“ rechtfertigen.
Da es keine Pflicht der Frau gebe, sich sämtliche in vitro erzeugten Embryonen implantieren zu lassen, gebe es für künstlich gezeugte Embryonen auch keine „grundrechtlich gesicherte Lebensperspektive“. Die Implantation eines Embryos müsse daher selbst dann als eine „qualitative Zäsur“ im Prozess „des ungehinderten Heranreifens des Embryos“ betrachtet werden, wenn man davon ausgehe, dass der Schutz der Menschenwürde mit dem frühestmöglichen Zeitpunkt, der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle einsetze. Wer in der PID ein Werkzeug sehe, „angeblich lebensunwertes Leben“ zu verwerfen, verfälsche die „grundrechtlichen Zusammenhänge“. Denn weder zwinge die Menschenwürde zur Implantation noch verlange sie eine „Schwangerschaft im Schleier der Unwissenheit über genetische Dispositionen zu schwerer Krankheit“, so Herdegen. Eine auf schwere Erbkrankheiten beschränkte Diagnostik habe auch „nichts Verächtlichmachendes oder Erniedrigendes“, noch stellten Eltern, die diese durchführen ließen, den „personalen Achtungsanspruch des Embryos in Frage“.
Dagegen erklärte der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht Ernst-Wolfgang Böckenförde, der für ein Verbot der PID plädierte, auch der in vitro gezeugte Embryo sei Träger der Menschenwürde, die darin bestehe, dass ein Mensch um seiner selbst willen anerkannt und geachtet würde. Böckenförde begründete dies damit, dass die Würde, die ein fertiges Wesen auszeichne, sich nicht von dessen Lebensprozess abspalten lasse, sondern ihn umfassen müsse. Andernfalls werde „ein Loch“ in den Entwicklungsprozess des Menschen gerissen. Der ivf-gezeugte Embryo, der einer PID unterzogen werde, werde jedoch „nicht als Subjekt und Zweck an sich selbst anerkannt und gewollt, sondern nur abhängig von bestimmten Anlagen oder Merkmalen, die er hat oder nicht hat.“ Nur unter dieser Voraussetzung, werde ihm „die Chance zum Weiterleben“ eingeräumt. Dies sei jedoch mit unserer Rechts- und Verfassungsordnung nicht zu vereinbaren, die den Staat verpflichte, sich schützend vor das Leben von Menschen und ihrer Entwicklung zu stellen, erklärte Böckenförde.
Für eine Zulassung der PID plädierten neben Herdegen bei der Anhörung auch der Lübecker Reproduktionsmediziner Klaus Dietrich, die Münsteraner Bioethikerin Bettina Schöne-Seifert und der protestantische Theologe Richard Schröder. Dagegen sprachen sich die Hamburger Professorin für Technikfolgenabschätzung von Biotechnologien in der Medizin Regine Kollek sowie der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber und der an der Glasknochenkrankheit leidende Schauspieler Peter Radtke wie Böckenförde für ein umfassendes PID-Verbot aus.
Die Oldenburger Sozialwissenschaftlerin Sigrid Graumann und die katholische Moraltheologin Hille Haker von der Frankfurter Johann Wolfgang Goethe-Universität argumentierten ebenfalls gegen eine Zulassung der PID, wollten Ausnahmen jedoch zulassen, wenn es statt um die Selektion von Embryonen mit unerwünschten Merkmalen um die Aussonderung lebensunfähiger Embryonen ginge. Dass dies in der Praxis zuverlässig möglich sei, wird jedoch bestritten.
Ein Video der rund vierstündigen Anhörung findet sich hier.